Die traurige Geschichte der Familie Riess

Marta Kufel

Von den vier Brüdern, deren Antlitz das Riess-Familiendenkmal zieren, lebt nur noch einer: Wolfgang. Der unerwartete Gast besuchte den Zentralfriedhof und erzählte unter großer Anteilnahme die bewegende Geschichte seiner Familie.
Es gibt Gräber auf Friedhöfen, deren Erinnerung trotz all der Jahre und Entfernungen nicht verblasst. Das Grab von Erna und Walter Riess ist ein solches Grab. Das Grab zeigt eine einzigartige Skulptur von vier nackten Jungen. Der Autor der 1941 entstandenen Skulptur ist Walter Müller. Die Köpfe der Jungen wurden in der Nachkriegszeit zerstört. Ihre Rekonstruktion wurde 1975 von Bronisław Dzik in einer Steinmetzwerkstatt in der ul. Ku Słońcu durchgeführt.
Die vier Jungen sind die Kinder von Walter Riess, der 1940 starb und zum Zeitpunkt seines Todes 44 Jahre alt war. Seine Söhne: der älteste war 8 Jahre alt und der jüngste 3. Walters Tod war eine große Tragödie für Erna und ihre Kinder. Das Paar war erst seit neun Jahren verheiratet.
Walter und Erna kauften 1940 ein Ferienhaus am Meer in Ahlbeck (Walter besaß ein Geschäft - Plissee und Stickerei). Kurz vor seiner Abreise fühlte sich Walter unwohl. Die Diagnose war die schlimmstmögliche: Galoppierende Leukämie. Seine Frau und ihre vier Söhne fuhren auf Drängen ihres Mannes ans Meer. Dort, am Strand, machte sie das Foto von den vier nackten Jungen, das als Grundlage für die Skulptur diente, die den Sockel auf dem Grab ihres Vaters krönt.
Ernas Schicksal war nicht leicht. Im Jahr 1940 blieb sie mit vier kleinen Kindern allein zurück. Der Krieg zwang sie, Stettin zu verlassen. Sie ist fortgegangen, hat aber ihr Herz für immer in unserer Stadt gelassen. Bis ans Ende ihrer Tage erinnerte sie sich mit Tränen in den Augen an Stettin, und ihr letzter Wunsch war es, im Grab ihres geliebten Mannes Walter begraben zu werden. Sie starb am 10. Januar 1995. Der jüngste Sohn starb im Alter von 50 Jahren - ebenfalls wegen galoppierender Leukämie
Vor Allerheiligen wurde das Familiengrab von seinem 88-jährigen Sohn Wolfgang und dessen Tochter besucht.
- Er kommt aus Braunschweig-Geitelde nach Stettin, wo er mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, der auf die Verarbeitung von Obst und Gemüse spezialisiert ist - sagt Andrzej Kus, Verantwortlicher der Stadt für kommunale Angelegenheiten und Umweltschutz. - Er ist froh, dass es das Grabmal gibt. Er erinnert daran, dass die Grabstätte seiner Angehörigen das Wichtigste in seinem Leben und dem seiner Brüder war und ist. Walter weiß, dass auch sein Leben eines Tages enden wird. Er kommt hierher, weint, schwelgt in Erinnerungen und verwöhnt uns mit Äpfeln von seinem Biohof. Das ist sein Zeichen der Dankbarkeit, dass das Grab gut gepflegt und unbeschädigt ist.